Digitale Barrierefreiheit von Webseiten
Barrierefreiheit ist ein alltägliches Thema, mit dem jede Person im Alltag in Berührungen kommt. Doch nehmen es die wenigsten bewusst wahr, da es sie meist nicht direkt betroffen sind. Erst, wenn es im Alltag zu den ersten direkten Berührungen kommt, wird uns bewusst, was es für die Betroffenen bedeutet, wenn die Barrierefreiheit nicht beachtet wird.
Der öffentliche Raum wandelt sich seit Jahren und es wird immer mehr auf die Bedürfnisse der betroffenen Personen eingegangen. Zum Beispiel werden Fußwege mit Leitlinien für sehbehinderte Menschen ausgestattet. Bei Behördengängen werden Menschen begleitet, Fahrstühle beim Zugang zum öffentlichen Nahverkehr stetig ausgebaut oder bei Konzerten Bühnen aufgebaut, damit auch Rollstuhlfahrer:innen einen freien Blick auf ihre Lieblingskünstler:innen bekommen. Diese Liste lässt sich fast unendlich weiterführen und zeigt an wie vielen Stellen etwas für die Barrierefreiheit getan wird.
Wir richten unseren Fokus auf einen weiteren öffentlichen Raum: das Internet. Dies ist zwar für jede Person betretbar, doch sich darin zu bewegen und alle Dienstleistungen nutzen können aktuell noch nicht alle Personen. Die Barrierefreiheit ist an vielen Angeboten noch nicht bedacht. Der Zugang zum Internet muss wie im öffentlichen Raum weiter barrierefrei gestaltet werden. Nur so können wir unsere diverse Gesellschaft weiter in den Alltag integrieren. Immerhin sind ca. 20 % der Weltbevölkerung dieser Gruppe zuzuordnen.
Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, der IAAP (International Association of Accessibility Professionals) anzuschließen und einen größeren Fokus in unserer Arbeit diesem Thema zu widmen. In diesem Beitrag geben wir einen Einblick, warum Barrierefreiheit im World Wide Web wichtig ist, was dabei zu beachten ist und welche gesetzlichen Vorgaben einzuhalten sind. Und welche Vorteile es für Webseitenbetreiber mit sich bringt die Barrierefreiheit zu beachten.
Warum Barrierefreiheit im Internet?
Wir verstehen unsere Gesellschaft als offen und divers. Niemand soll ausgeschlossen werden, und wir verfolgen das Ziel, jedem Menschen einen gleichberechtigten Zugang zum Internet zu ermöglichen. Es gilt bei jeder Entwicklung von Anwendungen alle Nutzergruppen gleichberechtigt zu berücksichtigen und für die soziale Inklusion sorge zu tragen. Typische Nutzergruppen sind meist diverser als im ersten Moment angenommen. Es gilt immer die Anwendungen auch für ältere Menschen, Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen und sprachliche Barrieren zu berücksichtigen.
Im öffentlichen Raum geschieht dies seit längeren und unsere Gesellschaft hat dies als grundlegendes Menschenrecht definiert, doch im WWW gibt es noch erheblichen Nachholbedarf. Neben den sozialen Aspekten gibt es zudem weitere Vorteile und für die Zukunft ist die Barrierefreiheit von Online Anwendungen gesetzlich verankert. Wird dies nicht berücksichtigen drohen empfindliche Strafen durch den Gesetzgeber. Die EU hat dazu ein Gesetz verfasst, welches 2025 in Kraft tritt.
Welche Vorteile bringt die Barrierefreiheit?
Der wichtigste Faktor ist die Zugänglichkeit ihrer Webseite für jede Personengruppe. Sie erreichen mehr potenzielle Kund:innen und können einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Es steigt die Nutzerzufriedenheit und ihre Inhalte erreichen eine größere Gruppe von User:innen. Gleichzeitig führt es zur Belohnung durch Suchmaschinen, denn Google und Co können ihren Online-Auftritt leichter finden und belohnen die damit einhergehende verbesserte User Experience.
Mit diesen Verbesserungen stärken sie ihre Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung und werden zum Vorreiter für ein barrierefreies Internet. Sie erfüllen gesetzlichen Vorschriften bevor diese in Kraft treten und zeigen soziale Verantwortung, ohne dass die Wirtschaftlichkeit darunter leidet. Sie erreichen Menschen mit Behinderung und können unter dem Aspekt des Employer Branding auf sich und ihre Dienstleistung aufmerksam machen. So haben Sie die große Chance mehr Kund:innen zu gewinnen und interessant zu werden für unentdeckte Talente.
Tipps zur Barrierefreiheit von Webanwendungen
- Alle Elemente, die kein Text sind, sollten mit einem zusätzlichen Text als Beschreibung versehen werden, dem sogenannten „Alt-Text“.
- Medien sollten ebenfalls mit alternativen Texten versehen werden, das betrifft zum Beispiel Audiodateien oder Videodateien.
- Inhalte müssen so aufgebaut werden, dass sie auch bei Änderungen der Kontraste weiterhin eindeutig erkennbar sind.
- Die Wahrnehmung des Inhalts und die Unterscheidung zwischen Vordergrund und Hintergrund müssen für alle Nutzer:innen erleichtert werden.
- Alle Funktionalitäten müssen über die Tastatur bedienbar sein. Links und Formulare müssen über eine sogenannte Tastaturschnittstelle erreichbar sein.
- Wenn auf Webseiten wechselnde Bilder erscheinen oder Eingaben in einer bestimmten Zeitvorgabe gemacht werden sollen, müssen die Intervalle oder Zeitvorgaben auch mit einer langsamen Reaktionszeit ausführbar sein.
- Inhalte dürfen keine epileptischen Anfälle auslösen. Animationen oder Videos dürfen kein Flackern oder flackernde Formen aufweisen. Ansonsten muss vor der Webseite ein Warnhinweis ausgegeben werden.
- Die Navigation innerhalb einer Webseite muss effizient gestaltet sein, insbesondere für Tastaturnutzer und Screenreader-Nutzer:innen. Eine klare, eindeutige Struktur und Auffindbarkeit muss sichergestellt werden.
- Texte sollten lesbar und verständlich gestaltet sein. Leichte Sprache und Textformatierung im Sinne von Screenreadern sollten verwendet werden.
- Eine einfache und durchgängige Gestaltung ist wichtig, um Menschen mit Lernbehinderung zu unterstützen.
- Fehleingaben bei Formularen oder anderen ausfüllenden Feldern sollten eindeutig beschrieben und angezeigt werden.
- Es sollte Standardcode verwendet werden, um die Kompatibilität mit assistiver Technologie sicherzustellen.
Richtlinien und Organisationen
Die EU-Richtlinie für Barrierefreiheit, Richtlinie 2016/2102, regelt den barrierefreien Zugang von Webseiten für öffentlicher Stellen. Des Weiteren fasst die 2019 angepasste BITV, die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (2.0), die Vorgaben im nationalen Recht zusammen. Grundsätzlich sind alle öffentlichen Stellen heute schon verpflichtet, ihren Webauftritt nach dem Behindertengleichstellungsgesetz zugänglich zu machen.
Ende Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen zur Umsetzung von Barrierefreiheit in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel dem Onlinehandel oder bei Telekommunikationsdienstleistungen.
Damit müssen zukünftig auch Websites und Webshops barrierefrei gestaltet sein. Unternehmen, die dagegen verstoßen, müssen mit Strafen rechnen. Noch ist genug Zeit, die eigene Website im Hinblick auf die rechtlichen Anforderungen barrierefrei umzubauen.
Gesetzliche Vorgaben
Ab 28. Juni 2025 tritt eine neue gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit in Kraft, und diese gilt für alle Websites und Apps. Das wird für viele Webseitenbetreiber einen großen zusätzlichen Aufwand bedeuten, wenn sich die Betreiber nicht heute schon mit den Vorgaben beschäftigen und in ihrer Budgetplanungen berücksichtigen.
Grundlage bildet die europäische Norm EN 301 549, welche sich wiederum zum großen Teil an den internationalen Richtlinien für barrierefreie Webinhalte orientiert. Geregelt wird dies im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die Richtlinie des European Accessibility Act (EAA) um.
Grundsätzlich gilt es für alle Webshops, sich darauf vorzubereiten, auch wenn es eine Übergangsfrist geben wird, die regelt, dass anfangs nur Dienstleistungen betroffen sein werden, die nach dem angegebenen Datum in Verkehr gebracht werden.
Alle Angebote sollten umgestellt werden, um jeder Person den Zugang zu dem eigenen Dienstleistungsangebot zu gewähren.
Fazit
Das Thema der Barrierefreiheit von Webseiten ist nicht mehr nur ein Nice-to-have. Alle öffentlichen Einrichtungen sind schon seit Jahren verpflichtet, bei ihren Auftritten im Web dieses Thema zu bedenken. Spätestens ab 28. Juni 2025 wird dies auch auf alle anderen Betreiber zukommen. Auch wenn der Fokus auf neuen Angeboten liegt, ist es sinnvoll bei bestehenden Angeboten die Barrierefreiheit mitzudenken. Für zukünftige Relaunches sollte es jeder Webseitenbetreiber bedenken und bei der Wahl seines Dienstleisters darauf achten, dass Expertise in dem Bereich vorhanden ist.
Inklusion ist der moderne Weg, niemanden auszuschließen und jedem seine Dienstleistung zugänglich zu machen. Das hilft vielleicht sogar, eine neue Zielgruppe anzusprechen, steht aber auch für modernes Unternehmertum.
Kommen Sie noch heute Ihrer Pflicht nach und sichern Sie sich diesen Wettbewerbsvorteil, bevor die Marktüberwachungsbehörde auf Ihr Angebot aufmerksam wird.